Mobilfunk / Ratgeber für Kommunen

Kommunikation und Bürgerbeteiligung / Risikokommunikation

Wer über Risiken spricht, bewegt sich im Feld der „Risikokommunikation“. Von einer gelungenen Risikokommunikation spricht man dann, wenn man dem Adressaten der Kommunikation die Werkzeuge und die Hintergrundinformationen vermittelt, so dass dieser das Risiko sachgerecht und den eigenen Wertvorstellungen entsprechend beurteilen kann. Es sollte der Adressat wissen, was mit welcher Wahrscheinlichkeit Eintreten kann und wie er die Konsequenzen einer Risikoübernahme persönlich beurteilen kann.

Angestrebt wird, bei Bürgerinnen und Bürgern eine Art „Risikomündigkeit“ herzustellen, also die Befähigung mit den vorliegenden Informationen das Risiko für das persönliche Leben zu beurteilen. Auf dieser Basis wird eine sachlich fundierte und auf die Urteilsfähigkeit jeder Person bezogene Diskussion über den Mobilfunk sowie über Sendeanlagen und Standorte vor Ort ermöglicht.

-> Schwierigkeit der Risikokommunikation
Risiken beurteilen die meisten Menschen vor dem Hintergrund ihres eigenen Wertesystems. Beispielsweise ist für viele Menschen das schnelle Autofahren ein Risiko, das gerne in Kauf genommen wird, um in den Nutzen des Genusses zu kommen. Andere würden dies oder andere Risiken (Rauchen) persönlich nicht in Kauf nehmen. Die Risikobewertung findet also vor dem Hintergrund der eigenen Bedürfnisse und Wertvorstellungen statt. Die Ergebnisse einer persönlichen Risikobewertung haben häufig wenig mit einer objektiven Erfassung der mehr oder weniger wahrscheinlichen Folgen zu tun, die man statistisch oder durch Modellierung wissenschaftlich berechnen kann. Viele Bürgerinnen und Bürger haben häufig ungenaue oder sogar falsche Vorstellungen über die Wahrscheinlichkeit von negativen Folgen einer riskanten Handlung oder einer Technologie und reagieren häufig emotional auf bestimmte Eigenschaften einer Risikoquelle (z.B. ob das Risiko sinnlich wahrnehmbar ist), ohne dass diese Eigenschaften einen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit oder die Höhe des zu erwartenden Schadens haben.

Was bedeutet für Sie Risiko?


Abbildung 1:
Risiken haben unterschiedliche Merkmale, die das Risiko für den einzelnen höher oder niedriger erscheinen lassen



-> Voraussetzungen für die Risikokommunikation
-> Aufklärung und Verbesserung des Wissens
Hintergrundinformationen zu Mobilfunk, elektromagnetischen Feldern oder zu möglichen Gesundheitsrisiken durch Mobilfunksendeanlagen sind notwendige Bestandteile der Risikokommunikation, reichen aber auch nicht aus. Zunächst müssen alle Befürchtungen von Bürgerinnen und Bürgern ernst genommen werden. Zu jedem Anliegen muss sachbezogen und analytisch Stellung bezogen werden. Es gibt keine falschen oder unsinnigen Fragen, nur falsche oder unsinnige Antworten. Information muss die Basis der Diskussion sein. Die Informationen Dritter sind immer kritisch zu hinterfragen. Bei dem beliebten Satz „aber Studien zeigen doch, dass…“ ist immer die Herkunft der einzelnen Studie und Aussagekraft zu prüfen.
-> Förderung eines fairen Miteinanders
Information und Kommunikation können zu einem fairen Umgang miteinander und dem Aufbau von Vertrauen führen. Klare Zielvereinbarungen mit den am Dialogverfahren Beteiligten sind dafür ebenso hilfreich wie miteinander abgestimmte Grundsätze des Vorgehens, genügend Zeit, ein festgelegter Zeitplan und eine faire und sachliche Berichterstattung in der Öffentlichkeit.

-> Konsensfindung und Konfliktschlichtung
Basis einer erfolgreichen Konsensfindung und Konfliktschlichtung sind eine gut vorbereitete Prozesssteuerung, gemeinsam abgestimmte Spielregeln für den Dialog, die Klärung der Rollen der Beteiligten untereinander sowie auch deren Verhandlungs- und Kompromissgrenzen. Ebenso gilt dies für die Offenlegung der Interessen der Beteiligten, damit jeder den anderen auch in seinen Bedürfnissen und Interessen richtig einzuschätzen weiß, sowie für die Bereitschaft aller Beteiligten, zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen.

-> Positiv auf die Bürger zugehen und ihren Standpunkt verstehen
An Veränderungen in unmittelbarer Nähe zum Eigenheim möchten Bürger mitwirken bzw. ein Mitspracherecht haben. Dabei sollte verständlich sein: Niemand ist begeistert, wenn ein unansehnlicher Sendemast im Nahbereich platziert wird (dies gilt etwa auch für eine zu bauende Hauptstraße). Eine perfekte Lösung gibt es in der Regel nicht, da man selten alle Bürgerwünsche gleichermaßen berücksichtigen kann. Allerdings kann schon die Bereitschaft, mehrere Standorte parallel zu prüfen und dann den relativ besten zu wählen, viel von der Konfliktschärfe nehmen.

-> Abstimmung innerhalb der Kommune (Politik und Verwaltungseinheiten)
Diese muss frühzeitig geschehen und verbindlich sein. Dazu gehören die Zusammenstellung der Fachinformationen aus den Fachämtern (Denkmalschutzamt, Bauamt, Umweltamt), die Festlegung von Ansprechpartnern in diesen Ämtern, die regelmäßige Information des Gemeinde- bzw. Stadtrates, die Festlegung von Zielen und Verhandlungsgrundsätzen sowie auch das Erwirken eines politischen Beschlusses. Ohne einen verbindlichen Prozessplan der Politik gegenüber der Verwaltung wird diese nur schwer in der Lage sein, den Dialogprozess aktiv vorbereiten und durchführen beziehungsweise mit Konflikten erfolgreich umgehen zu können.

-> Anforderungen an die Risikokommunikation
Die Anforderungen an die Kommunikation mit Bürgerinnen und Bürgern sind sehr unterschiedlich und situationsabhängig. Um gezielt informieren und kommunizieren zu können, müssen die Ansichten der Bürger zunächst erfragt werden, da diese von Standort zu Standort variieren und oftmals nicht durch eigene Erfahrung oder Intuition richtig eingeschätzt werden können. Es kann durchaus sein, dass auch eine hohe Akzeptanzbereitschaft vorhanden ist, die sich zum Beispiel darin ausdrückt, dass sich einige Regionen als Testregion für UMTS bewerben, um über den schnellen Internetstandart baldmöglichst verfügen zu können. Meistens hat man es aber mit einer größeren Anzahl von besorgten Bürgerinnen und Bürgern zu tun, deren verschiedene Ängste (Wertverlust des Eigenheims, gesundheitliche Folgen, Schutz sensibler Gebäude wie Kindergarten) einen Widerstand gegen den Mobilfunknetzausbau hervorrufen. Häufig wehren sich Anwohner auch schlicht gegen die moderne Technik im Allgemeinen und möchten mit ihrem Protest zum Ausdruck bringen, dass die „mobilfunkbedingte Hektik“ nicht gut für die Menschheit sei.

Einstellungsbandbreite zum Mobilfunk:


Abbildung 2: Subjektive Einstellungen zum Mobilfunk

-> Vertrauen bilden
Für einen vertrauensbildenden Verständigungsprozess ist der frühzeitige Aufbau einer sachlichen und ausgewogenen Information und vor allem einer zweiseitigen Kommunikation sehr wichtig. Fragen zur Standortplanung können gemeinsam behandelt werden und auf die Anliegen und Besorgnisse der Bürgerinnen und Bürger kann eingegangen werden. Kommunikationsmaßnahmen, die erst nach Abschluss einer Planung einsetzen, führen in einigen Fällen dazu, dass sich Bürger überrumpelt fühlen und sich dann auch der Kommunikation entziehen, weil es ohnehin zu spät sei.

Eine adressatengerechte Kommunikation zeichnet sich aus durch:

-> Analyse der Problemlage
Informieren Sie sich im Vorfeld über mögliche Probleme. Geht es den Anwohnern um die Optik, die durch den Sendemast gestört ist, um einen möglichen Wertverlust des Eigenheimes oder um eine mögliche gesundheitliche Gefährdung? Gibt es Neidsituationen, da ein Nachbar die Miete für den geplanten Standort bekommen wird?

-> Handlungsspielräume
Eruieren Sie im Vorfeld Ihre Handlungsspielräume und zeigen Sie diese den Bürgerinnen und Bürgern klar auf. Dafür sollten Sie sich mit Ihren lokalen Politikern und den Netzbetreibern kritisch auseinandersetzen. Um mit dem Bürger glaubhaft kommunizieren zu können, benötigen Sie einen eindeutigen Standpunkt Ihrer Politiker. Insbesondere in Wahlkampfzeiten dienen Standortplanungsverfahren oftmals als Wahlkampfthema. Umso wichtiger ist es deshalb, die Informationen und Reaktionen auf Kritik aus der Bürgerschaft im Vorfeld abzustimmen.

-> Zeitpunkt für den Verständigungsprozess
Möglichst frühzeitig, bereits bevor konkrete Standorte in der Diskussion sind, sollte die Kommunikation einsetzen bzw. vorbereitet werden. Dafür sollte die Kommune den Informationsbedarf für die Zielgruppen (Bürgerinnen und Bürger, gesellschaftliche Gruppen, wirtschaftliche Akteure und die Netzbetreiber) erörtern und entsprechendes qualitatives Informationsmaterial zusammenstellen und die Antworten auf mögliche Fragen im
Vorfeld erörtern.

-> Benennen der Beteiligten am Dialogverfahren
Wer soll wie in das Dialogverfahren eingebunden sein? Sollen Bürgerinnen und Bürger eine geregelte Einflussnahme auf den Planungsprozess erhalten? Folgende Aspekte sind im Einzelnen zu klären:

-> Bleibt es beim Dialog Verwaltung–Netzbetreiber? Oder soll eine Arbeitsgruppe auf Basis klarer Verwaltungs- und/oder Ratsleitlinien installiert werden? Oder soll die Information der Bürgerinnen und Bürger verstärkt werden? Diese könnten auch in einen Arbeitskreis integriert oder evtl. für einem Runden Tisch angefragt werden? Wie sehen dabei die Diskussions- und Entscheidungswege aus? Welche Kriterien werden für die Standortentscheidung herangezogen?

-> Welche Rollen, Befugnisse und Verantwortlichkeiten haben die Beteiligten? Was können sie überhaupt entscheiden? Welche Spielregeln sollen sie für das Dialogverfahren miteinander vereinbaren?

-> Welche Regeln und Ansprechpartner haben Verwaltung und Politik für das Dialogverfahren intern festgelegt? Wer übernimmt die Prozesssteuerung und wer leitet die Arbeitsgruppe, das offene Forum oder den Runden Tisch?

-> Kommunikationswege
Den richtigen Kommunikationskanal zu wählen, ist essentiell wichtig und richtet sich nach der Problemlage. Häufig ist bei Konflikten das persönliche Gespräch mit dem Bürger unumgänglich:

-> Welche Medien möchten Sie einsetzen?
Amtsblatt, lokale bzw. regionale Presse, Flyer, Postwurfsendung? Dabei ist zu beachten, dass Informationen auf dem gedruckten Weg nur einen Pfeiler der Kommunikation ausmachen und unbedingt durch direkte Begegnungen mit den Bürgerinnen und Bürgern sowie durch persönliche Gespräche ergänzt werden müssen. Schriftlich können wichtige Hintergrundinformationen, etwa zu den Risiken des Mobilfunks, und Hinweise auf Informationsveranstaltungen verbreitet werden. Sehr umfangreiches Informationsmaterial zu Fragen, die komplexe Antworten erfordern, birgt die Gefahr von Missverständnissen.

-> Wer ist Ansprechpartner?
Sie sollten aber überall Ihre Kommunikationskanäle eindeutig mitteilen, d.h. wer der kommunale Ansprechpartner für Information und Kommunikation in der Kommune ist. Dieser Ansprechpartner muss im Vorfeld benannt sein, und nur bei dieser Person laufen alle Informationen zusammen. Diese Person muss die Informations-arbeit auch bei anderen kommunalen Stellen koordinieren. Denn bei den Bürgerinnen und Bürgern und entstehen leicht Verwirrung und Misstrauen, wenn beispielsweise das Denkmalschutzamt die Bürger anders informiert als das Bauamt.

-> Welche Veranstaltungen möchten Sie nutzen?
Bürgersprechstunde, Bürgeranhörung, Ortstermin, öffentliche Informationsveranstaltung oder thematische Workshops? Die Vor- und Nachteile sind hier sehr vielfältig. Grundsätzlich sollte man vermeiden, Veranstaltungen in Hinterzimmern von Gastronomien durchzuführen. Eine eher „sachliche“ Umgebung ist der Gesprächsatmosphäre zuträglicher. Grundsätzliche birgt eine Grußveranstaltung das Risiko der Verunsachlichung der Themen, was in der Folge die Besucher häufig stark polarisiert.

-> Welche zusätzlichen Dialogforen wollen Sie schaffen?
Veranstaltungen beispielsweise in Schulen oder Kindergärten? Die Foren zielen darauf ab, mit Betreibern, Eltern und Schülern über deren Einstellungen zu Mobilfunk zu diskutieren und mit ihnen die Frage nach Kriterien für sensible Einrichtungen zu analysieren. Für diesen Punkt müssen Sie unbedingt im Vorfeld abklären, wie umfangreich Ihre Handlungsspielräume sind.

-> Unterstützungsmaßnahmen
Unterstützungsmaßnahmen sind unter anderem die Einbindung von Experten und die Beauftragung professioneller und unabhängiger Moderatoren. Achten Sie bei der Beauftragung eines Moderators darauf, dass er von allen beteiligten Parteien/Personen als neutral und kommunikativ kompetent akzeptiert ist.

-> Erstellung eines „Standortverzeichnisses“ (vgl. www.bundesnetzagentur.de)
Mit Hilfe des Standortkatasters kann die Kommune zusätzlich mit ihren Bürge-rinnen und Bürgern kommunizieren und ihnen einen aktuellen Überblick über bereits realisierte, geplante oder in der Diskussion stehende Standorte oder auch über Suchkreisanfragen geben.

-> Laufende Beurteilung des Kommunikationsprozesses
Man sollte die Rahmenbedingungen schaffen, die es ermöglichen, sich stetig zu vergewissern, ob der Ausbau im Einklang mit den Bürgern stattfindet. Dafür empfiehlt sich die Einführung eines professionellen Monitorings (systematisches Langzeitbe-obachtungsverfahren) oder einer Evaluation. Für beide Vorgehensweisen kann das Hinzuziehen externer Fachleute hilfreich sein.